Tanja Kemmer
"Sabine Wenig tastet sich an die malerische und formale Wirkungsweise von Abstraktion heran, lotet sie aus und kommt so zu sehr unterschiedlichen bildnerischen Ergebnissen:
Während sich einerseits in ihren Arbeiten der mehr oder weniger subtile Eindruck von Gegenständlichkeit vermittelt, vielleicht sogar Objekte oder Figuren auszumachen sind, finden sich im selben Maße weitgehend ungegenständliche Kompositionen, in denen das Zusammenspiel von Farbe, Form, Fläche und Linie eine noch ausschließlichere Rolle spielt. Immer allerdings agiert die Künstlerin mit der sich daraus ergebender bildnerischer Tiefe, die dazu einlädt, visuell in die Bilder ‘hineinzugehen’, sie optisch zu ‘durchwandern’.
Auffällig ist, dass neben sehr ruhigen und ausgewogenen Gemälden, in denen die klaren, zum Teil großformatigen Flächen betont werden, außerordentlich spannungsgeladene, detaillierte und bewegte
Kompositionen entstanden sind, in denen das betrachtende Auge kaum zur Ruhe kommt, sondern dem Rhythmus des Wechsels von Farbe und Form folgt, so dass fast das Gefühl entsteht, ‘durchgeschüttelt’
zu werden.
In einigen Gemälden thematisiert Sabine Wenig die menschliche Figur, die zuweilen kaum mehr im kompositionellen Kontext auszumachen ist, sich vielmehr in Umrissen und Schattierungen andeutet, als
sei sie kurz davor, sich zu materialisieren bzw. umgekehrt, sich zu dematerialisieren. Auf eine thematische oder inhaltliche Ebene gerückt, scheint sich die Figur sozusagen mit ihrer Umgebung
auseinander zu setzen, sich innerhalb derer behaupten zu wollen - ein veränderlicher, nicht abgeschlossener Prozess, der meines Erachtens direkt auf die formale, malerische Ebene auch der
nicht-figürlichen Arbeiten übertragbar ist: Klar umrissene Formen auf der einen Seite lösen sich an anderer Stelle auf, die akzentuierte Linie geht über in eine weiche, sich verbreiternde
Pinselführung, die zunehmend flächenhafter wird - Sabine Wenig entwickelt ihre Kompositionen mit dem Akt des Malens selbst, setzt Farbe, Form, Fläche und Linie in spannungsreiche Beziehung
zueinander."
Tanja Kemmer, Kunsthistorikerin M.A.